"Aufbruch in Unbekannte" - ein Reisebuch von Davia Franz

Bolivien

 

Bolivien: Wo die Ursprünglichkeit noch existiert

„Wir fahren von 2.000 m Höhe von Santa Cruz bis über 4.000 m hoch nach La Paz. Kolonialer Reichtum, die höchstgelegene Großstadt der Welt, beinahe unendlich, die Salzwüste von Uyuni. Wir durchstreifen das Altiplano, ein Hochplateu in einer Höhe von 3.500 und 4.000 m, zwischen den beiden Kordilleren (Ost und West) mit seinen bunten Lagunen und verschneiten Gipfeln, die oftmals 6.000 m überragen. Wir fahren auf dem Titicacasee, dem tiefsten und höchstgelegenen schiffbaren See der Welt. Es ist die Heimat der Lamas, Alpakas und des Kondors. Auf der gefährlichsten Straße der Welt geht es hinab in die Yungas. Wir begegnen schweigsamen Indios und genießen glasklare Luft.

„Der Weg bis zum heutigen Ziel ist noch weit. Die Stille der Salzwüste im Einklang mit dem toten Salz aufzunehmen und die flimmernde Hitze über der Wüste zu beobachten ist ein einmaliges Schauspiel. Jaschi hatte gestern Abend wohl etwas gegessen, was sein Magen nicht vertragen hat. Er muss nun dringend auf die Toilette. Aber hier befindet sich kein Baum und kein Strauch und selbst eine Radarfalle würde man auf 100 m Entfernung erkennen. Wir versprechen ihm, uns alle umzudrehen.
Wir haben alle beschlossen, den Sonnenuntergang auf dem See zu erleben. Bis dahin müssen wir aber noch einige Zeit warten. Rainer unternimmt einen Spaziergang in das scheinbar unendliche Meer. Ich setze mich auf die Kühlerhaube unseres Jeeps und träume vor mich hin. Diese Ruhe und Einsamkeit kann schon eine meditative Stimmung mit sich bringen. Es wird langsam kalt und die Sonne möchte sich verabschieden. Man hat das Gefühl mit dem Himmel, dem Salz und der Sonne verschmolzen zu sein. Der Sonnenuntergang über dem Salar ist ein besonderes Erlebnis. Lange Schatten ziehen sich über das jetzt in orangenen Tönen gefärbte Salz. Die glutrote Sonne versinkt immer tiefer hinter der weißen Scheibe des Sees. Der Himmel färbt sich in immer dunkler werdende lila Farben. Ein unglaubliches Farbenspiel. Die Kälte der Nacht dringt immer tiefer unter unsere Sachen. Es kann bis 20 Grad unter Null werden.“

„Am Nachmittag kommen wir an der „Laguna Colorado“ an. Sie liegt ca.12 Stunden Fahrt von Uyuni entfernt auf einer Höhe von 4.275 m. Sie ist ein einzigartiges Naturschauspiel im Andenhochland. Das Wasser des ungefähr 60 m² großen Sees scheint auf Grund seines pflanzlichen und tierischen Plankton und durch Mineralien rot gefärbt, doch es gibt auch grüne Algen. Zusammen mit der Blauspiegelung des Himmels ergibt dies ein buntes Mosaik, abhängig von der Tagesszeit und dem Sonnenstand. Hier brüten auch die sehr seltenen Andenflamingos und die Jamesflamingos. Die Lagunen mit ihren Flamingos, der klare tiefblaue Himmel, das bunte Wasser, die Weite zusammen mit der Stille und der dünnen Luft ergeben ein geradezu unwirkliches Bild. Kurz vor der Dunkelheit landen wir in unserem „Vier Sterne nach unten Hotel“. Wir müssen alle sechs in ein Zimmer, drei Doppelstockbetten. Die Matratzen sind durchgelegen und mit einer grünen seidigen Decke belegt. Die Decke des Raumes ist mit Stoff abgehangen, darüber befindet sich ein einfaches Dach, wo nach allen Seiten der kalte Wind durch pfeift. Unterdessen kocht uns Leo unser Abendessen, heiße leckere Suppe und Spaghetti Bolognese. Wir müssen so viel über unsere Übernachtungsstätte lachen, dass wir kaum unser Essen runterschlucken können. Aber eines können wir uns 100%ig sicher sein, ein Pauschaltourist wird in dieser einsamen unendlichen Landschaft nie übernachten können. Wir gehen dann auch bald zu Bett. Morgen müssen wir um 4.30 Uhr aufstehen. Vorher heißt es aber noch waschen und Zähne putzen. Eine rostige Tonne steht im „Bad“, eine Schöpfkanne hängt am Rand. Das Abwasser wird auf den Fußboden geschüttet, der einen Fußbodeneinlauf hat.
Der kalte Wind bläst immer kräftiger durch die Dachritzen. Wir beschließen, mit Mütze zu schlafen. In der Nacht muss ich auf die Toilette, dass heißt, ich gehe nach draußen. Es ist verdammt kalt. Ich weiß gar nicht wie viele Sterne dieser Himmel hat, es müssen Milliarden sein. Voller Bewunderung starre ich in das leuchtende Universum. Über allem liegt eine gespenstische Stille, in der nur der Wind sein kaltes Lied pfeift. Es kommt mir vor, als wäre ich das einzige Lebewesen, das unter diesem gigantischen Sternenhimmel existiert. Meine Füße sind am Morgen wieder eiskalt. Bei Kerzenlicht versuchen wir unsere Sachen zusammenzupacken. Umziehen müssen wir uns nicht, da wir in voller Bekleidung ins Bett gegangen sind. Um 5.00 Uhr startet Leo den Jeep. Unser erster Stopp ist am Geysir „Sol de manana“ – Morgenröte. Wir befinden uns auf einer Höhe von fast 5.000 m. Überall rauscht und blubbert es und es stinkt nach Schwefel. Heißer Dampf sprüht als Fontäne aus den brodelnden Löchern bis 10 Meter in die Höhe. Angeblich sind Geysire am aktivsten, wenn der Unterschied zwischen Aussen- und Wassertemperatur am Größten ist. Und das ist der frühe Morgen. Hier herrscht eine intensive vulkanische Aktivität. Man muss verdammt vorsichtig sein, um nicht in ein Loch mit weißer heißer Lava zu fallen. Die Landschaft sieht aus wie zur Zeit der Entstehung der Erde. Ein echt unheimlicher Ort.“

 

Adobedorf

Altiplano 3.600 m

Altiplano, bei ungefähr 3.600 m

El Camino de la Muerte Straße des Todes

"El camino de la muerte" - Straße des Todes

Kinder in der Silbermine von Potosi

Kinder der Mineros in der Silbermine von Potosi

Marktstand in Santa Cruz

Obst-und Gemüsemarkt in Santa Cruz

Salzhotel in der Salzwüste Uyuni

Salzhotel in der Salzwüste von Uyuni